Die Bürger Bolognas wurden, soweit sie nicht von der Teilnahme am politischen Leben ausgeschlossen waren (wie z.B. Frauen, Sklaven, Hörige und Lohnarbeiter), als Cives bezeichnet. Die erste Pflicht der Cives war die Verteidigung der Vaterstadt. Kriegsdienst mussten alle Männer zwischen 18 und 70 Jahren leisten. Wer über 70 war war vom Kriegsdienst befreit – durfte dann aber auch kein Amt mehr bekleiden. Wer wie bewaffnet war hing vom Vermögen ab. Die Podestà, die Vertreter der/des Herren der Stadt, führten Listen über alle kriegsfähigen Personen und ihre Waffen. Wer den Kriegsdienst nicht wahrnehmen wollte brauchte eine triftige Entschuldigung oder musste einen geeigneten Stellvertreter finden [56].
Die Verwaltung der Stadt oblag im 12. Jahrhundert einem kleinen Rat, dem Consilium. Daneben gab es die Versammlung aller Cives. Das Consilium setzte sich aus Konsuln, Mitgliedern vornehmer Familien (‘stadtsässiger Adel’ und wohlhabende Kaufleute), einiger Handwerker und mehrerer Causidici (Rechtsberatern), Iudices (Richtern, die im Zivilprozess beschäftigt waren) und Notaren zusammen. Oberste Beamte waren die Konsuln, deren Anzahl schwankte und die meist jährlich wechselten. 1176 waren es neun. Die Konsuln nahmen von den Bürgern den Gehorsamseid entgegen und besassen die Regierungsgewalt und die Gerichtshoheit. Gab es einen Podestà – gleich ob durch Reichsgewalt eingesetzt oder selbst gewählt – so waren die Konsuln als Berater tätig [56]. Die städtische Bevölkerung, die die Entwicklung zur Stadtkommune vorantrieb, bestand aus Freien; die Stadtbürger, die sich dem Herrschaftsanspruch eines Bischofs oder Markgrafen und später sogar des Kaisers widersetzen, waren freie Männer [57]! Sie hatten dadurch ein ganz anders Ansehen als z.B. Bürger in französischen oder deutschen Städten. Das galt nicht nur für Bologna sondern für alle Städte Ober- und Mittelitaliens - der Städte, die zum römisch-deutschen Imperium gehörten [58].
In Frankreich war die kommunale Bewegung viel weniger ausgeprägt als in Italien. Die als ‘villes franches’ bezeichneten Städte hatten die Freiheitsrechte für die Bewohner, die wirtschaftlichen Vorteile und die Selbstverwaltungsorgane zumeist durch königliche Verleihung erhalten – und sich nicht wie in Italien ertrotzt [57]. Aber auch in Frankreich begannen die Bürger aufzubegehren und Privilegien zu fordern. In Besançon stritten die ‘cives bisuntini’ mit ihrem Stadtherrn, dem Erzbischof, der das Münzrecht inne hatte, beispielsweise um den Geldwechsel oder um das Erbrecht. In einem Entscheid des Kaisers wurden zwar die Rechte des Stadtherrns bewahrt, den Bürgern aber doch grosse Zugeständnisse gemacht und so die Emanzipation der Bürger und die Bildung deiner Stadtgemeinde unterstützt [59].
Auch in deutschen Städten setzte im 11. Jahrhundert eine kommunale Bewegung ein. Vorreiter waren die rheinischen Bischofsstädte. In Köln gab es anfangs des 12. Jahrhunderts eine Schwureinigung für die Freiheit, die die Beteilung der Bürger an den politischen Entscheidungen im Reich dokumentierte [57]. Mainz demonstrierte das Selbstbewusstsein seiner Bürger durch Schaffen eines eigenen, ungewöhnlich grossen, Siegels. Zudem gab es im 12. Jahrhundert viele Neugründungen von Städten. Diese wurden in der Regel von vornherein mit Freiheiten und Rechten ausgestattet, wie z.B. den Markt-, Münz- und Zollrechten [57] – schliesslich wollte man Zuzügler anlocken.
Ein für den Einzelnen noch viel wichtigeres Privileg war, dass ein Unfreier, der ‘Jahr und Tag’ unangefochten in der Stadt gewohnt hatte, von niemandem mehr als Unfreier in Anspruch genommen werden konnte [60]. Wer also in der Stadt lebte, war nach einem Jahr und einem Tag frei und konnte von seinem Grundherrn nicht mehr zurückverlangt werden [61]. Stadtluft machte frei!
Friedrich Barbarossa war sich der Bedeutung der Städte bewusst, waren sie doch wirtschaftlich und fiskalisch von grossem Nutzen. Doch eingedenk der aufmüpfigen lombardischen Städte hatten jedoch weder er noch Adel oder Klerus ein Interesse am Erstarken politscher Mitbestimmung der Bürger und deren Autonomie in Deutschland [57]. Denn anders als in Italien lebten Adlige nördlich der Alpen lieber auf ihren Höhenburgen als in dreckigen Städten, deren ungepflasterte Strassen sich bei Regen in morastige Kloaken verwandelten [61].
Moment. Wie war das mit den (vielen) Badstuben in den Städten?