Hygiene

Entgegen der landläufigen Meinung entwickelte das deutsche Mittelalter eine außerordentlich starke, erst in der Gegenwart wieder erreichte Badeleidenschaft [63]. Es wurde aus Gründen der Reinlichkeit, der Gesunderhaltung und Gesundung gebadet und der Unterhaltung wegen. Gebadet wurde von allen Volkskreisen, auch von Handwerkern, Bauern, Arbeitern. Armen verschafften Stiftungen die Wohltat eines Bades (Seelbäder). Regelmäßig gebadet wurde vor dem Kommunionempfang, der Hochzeit, dem Ritterschlag, hohen Festen, am Samstag, besonders gerne im Frühjahr (Maienbad). Mit dem Baden wurde die übrige Körper- und Gesundheitspflege verbunden, das Scheren, Rasieren, Schröpfen, Aderlassen. Das alles besorgte in den öffentlichen Bädern der Bader mit Badeknechten und Bademägden.

 

Scham war den Menschen im Mittelalter größtenteils fremd, man badete mit Fremden zusammen, es gab keine Trennung der Geschlechter. Das gemeinschaftliche Baden erfreute sich großer Beliebtheit – wegen der Hygiene und vor allem wegen der Geselligkeit. Für die Menschen jener Zeit vereinte sich in der Badestube Vergnügen und Zerstreuung mit therapeutischen Heilzwecken. In den Wannen und Zubern wurde gegessen und getrunken, Nachrichten und Klatsch ausgetauscht und musiziert [64].

 

Badehäuser waren aber auch auf Burgen nicht unüblich. So wurde auf der Burgruine Schlössel bei Klingenmünster ein Badehaus mit Heizungsanlage aus dem letzten Drittel des 11. Jahrhunderts identifiziert: «[Auf der Bug] entstand ein Badehaus mit einer Steinspeicher-Luftheizung im Boden und einem Heißluftkanal mit Steinplattenabdeckung in der Längsachse des Raumes im Erdgeschoss [...] Dieses Fachwerkgebäude von rund 48 m2 diente nicht nur als Dampfbad, sondern – wie ein offener Kamin andeutet – möglicherweise auch zum Baden in Zubern. Verbrannte Knochen in unmittelbarer Umgebung des Kamins deuten an, dass man beim Baden in Zubern gegessen und die Knochen ins Feuer geworfen hat» [65, p. 193].

 

Dass – nicht verwandte – Männer und Frauen miteinander nackt in einem Zuber sassen, besass im Mittelalter nichts Anstössiges. Man schlief ja auch (oft nackt oder nur mit einer Nachthaube gegen das von der Decke fallende Ungeziefer bekleidet) gemeinsam in einem Bett. Und nicht nur Eheleute oder Verwandte, sondern auch Kinder und Bedienstete und sogar Fremde, die zu Gast kamen [66].

 

Wie schlief man denn?

 

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