Aussagen über die Stellung der Frau im Hohen Mittelalter zu machen ist schwierig. Auf der einen Seite hatten Frauen so gut wie keine Rechte. Andererseits gab es gerade im 12. Jahrhundert einige bedeutende Frauengestalten: Herrscherinnen [73] (z.B. Eleonore von Aquitanien [74]), Klosterfrauen (allen voran Hildegard von Bingen [75]), Dichterinnen (z.B. Marie de France [76]) und weibliche Troubadours (wie die Trobairitz Beatriz de Dia [77]). Sie sind Aussenseiterinnen, aber ihre Lebensläufe zeigen, dass es Möglichkeiten gab auch als Frau das Leben selbst zu gestalten [58]. Allerdings hatten sie kein Recht darauf. Es war möglich, wenn es besondere Umstände erlaubten oder sogar verlangten. Aber es nicht selbstverständlich und konnte schon gar nicht eingeklagt werden!
Über das alltägliche Leben der Frau, jenseits der Idealisierung in der Dichtung, wie z.B. im Minnesang, gibt es nur wenig schriftliche Spuren. Allen gemeinsam ist ihre grosse Bildung, ihr Selbstbewusstsein und das Ausschöpfen der Möglichkeiten, die sich ihnen boten.
Diese Gemeinsamkeiten habe ich zum Vorbild genommen für die Grundzüge meiner Protagonistin Alush. Ich wollte keine Heldin erschaffen, die mit feuerspeienden Drachen kämpft, um den heiligen Gral zu erlangen oder sich verkleidet, um ‘Päpstin’ zu werden. Alush sollte eine ganz normale Frau sein, wie sie hätte gelebt haben können. Eine Frau, die sich mit den gesellschaftlichen Normen und Konventionen ihrer Zeit arrangiert aber sich bietende Gelegenheiten nutzt, um sie zu durchbrechen. Was sie zur Aussenseiterin macht, ist ihr Wunsch, Recht zu studieren. Das war ganz sicherlich für eine Frau nicht möglich ohne Vitamin B - das im Mittelalter mindestens genauso wichtig war wie heute ...