Ehe und Eheformen

Die Ehe hatte im Hochmittelalter einen klar bestimmten sozialen Zweck: die geregelte Erzeugung von als legitim anerkannter Nachkommen und die geregelte Weitergabe von Besitz, denn nur eheliche Nachkommen galten als erbberechtigt [29]. Weiter diente die Ehe dem Schaffen sozialer Beziehungen, die Schutz gegen Willkür und Gewalt bieten konnten. Rechtsprechung und Rechtsdurchsetzung erfolgten nur in Ansehung der Person und ihres Standes [29]. ‘Vitamin B’ war im Mittelalter unter Umständen überlebenswichtig.

 

Die häufigste Form der Ehe war deshalb auch die sogenannte Muntehe. Die Schliessung der Muntehe, der ‘Sippenvertragsehe’ [23], wurde vertraglich geregelt. Die Braut war dabei rechtlich Objekt des Ehevertrags, der zwischen dem Muntwalt der Frau (z.B. ihrem Vater) und dem Bräutigam (bzw. dessen Muntwalt wenn er noch minderjährig war) geschlossen wurde. Da in der Regel die Ehefrau nicht Erbin des Mannes war, musste sie für den Fall der Verwitwung materiell abgesichert werden. Dazu wurde die Höhe der Dos (Mitgift, Brautschatz), der Morgengabe und des Wittums vereinbart [23]. Während die Dos von der Frau (resp. ihrer Sippe) in die Ehe eingebracht wurde, ist die Morgengabe eine Geschenk des Mannes am Morgen nach der Hochzeitsnacht, über das die Frau uneingeschränkt verfügen konnte. Das Wittum, (Widerlage), diente der Absicherung der Frau im Falle einer Witwenschaft, über das die Frau keine Verfügungsgewalt hatte, das aber von ihrem Mann auch nicht ohne ihre Zustimmung veräussert werden konnte. Verwaltet wurden Morgengabe und Wittum vom Mann. Die Ehe wurde mit einem beiderseitigen Verlöbnis im Kreise von Mitgliedern beider Sippen geschlossen, oftmals schon in ihrer frühen Kindheit, und in Verträgen die beabsichtigte Eheschliessung dokumentiert. Das Ehegelöbnis (die Heirat) wurde ebenfalls im Kreise von Vertretern beider Sippen gegeben und mit dem ‘Beilager’ besiegelt. Die Kirche konnte ihren Segen zur Eheschliessung geben – es ging aber auch ohne.

 

Für die im Roman erwähnte Friedelehe gibt es keine einheitliche Definition. Den Begriff selbst gab es im Mittelalter nicht, er wurde erst im 19. Jahrhundert ‘erfunden’ als Bezeichnung für eine Eheschliessung ‘der freien Wahl’ [30], eine Konsensehe, bei der die eheherrliche Munt fehlt [31]. ‘Vriedel’ (in der weiblichen Form ‘Vriedele’) bezeichnete im Mittelalter den Geliebten, den Bräutigam oder den Gatten [32]. Die Frau zahlte keine Mitgift – der Mann kein Wittum. Damit die Beziehung aber eine ‘richtige’ Ehe wurde, ‘musste’ das Beilager vollzogen werden, der Frau eine Morgengabe gegeben und vor allem die Verbindung öffentlich gemacht werden [31].

 

Geschah das nicht, hatte das Paar zum Beispiel nur Geschlechtsverkehr, dann war die Beziehung eine ‘un-ê’ [32], ein Konkubinat. Die Frau eine Kebse. Häufig war sie eine unfreie Magd, die keinerlei Rechte hatte [31] und im Fall einer Witwenschaft ‘im Regen stand’. Eine Kebsehe konnte vom Mann, der die volle Verfügungsgewalt hatte, jederzeit gelöst werden – denn sie war ja eigentlich gar keine Ehe.

 

Und was ist jetzt eine Klandestinehe? Eine klandestine Ehe ist eine Ehe, die nur auf dem Konsens der beiden Brautleute beruhte – somit konnte eine Friedel- und unter Umständen auch eine Kebsehe, als klandestine Ehe gelten. Eine Klandestinehe konnte ohne die Erlaubnis der Eltern, ohne öffentliche Feier bzw. ohne Zeugen und ohne einen priesterlichen Segen geschlossen werden – und das überall: unter einem Baum, im Garten, im Bett … Einzige Bedingung war, dass das Paar sich gegenseitig dazu bekannte, eine Ehe zu schliessen [33].

 

Der Kirche war die Klandestinehe ein Dorn im Auge. Sie wollte nur solche Ehen anerkennen, die mit einer förmlichen Zeremonie geschlossen und bei der Mitgift, Morgengabe und Wittum gezahlt worden waren. Als Grund wurde häufig der Schutz der Frau (respektive der Witwe) angegeben. Dahinter verbarg sich aber der Anspruch einer strikten Kontrolle des Ehewesens. Davon profitierte die Institution Kirche insofern, als dass sie die Gläubigen auf diese Weise besser leiten konnte. Zudem konnte sie somit auch Einfluss auf das Leben der Menschen nehmen [33] – zum Beispiel auf deren Sexualität.

 

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